
Gipfeltreffen in den Alpen.
Beim „4. Sozial-Unternehmertum-Workshop in Berchtesgaden“ entwickelten 15 Studierende und Social Entrepreneurs innovative Geschäftsmodelle. Der methodische Prozess sorgte dafür, dass diese Start-up-Ideen auch der Realität standhalten können.
Die Abgeschiedenheit der Alpen ist der richtige Ort, um über die Zukunft nachzudenken. Auf Einladung der Haniel Stiftung trafen sich 15 Sozialunternehmer und Studierende zu einem einwöchigen Gedankenaustausch in der luftigen Höhe des Berchtesgadener Landes. Unter dem Motto „Das Soziale neu gestalten: Soziale Unternehmungen, Bildung und Migration“ diskutierten sie beim inzwischen 4. Sozial-Unternehmertum-Workshop über innovative Geschäftsmodelle an der Schnittstelle zwischen Bildung und Migration. Unter den Teilnehmern auch junge Praktiker wie Ksenia Eroshina, die hauptamtlich das Bildungsteam von ZWEITZEUGEN e.V. in Bünde leitet. Wie die 26-Jährige brachten einige Teilnehmer selbst Migrationserfahrungen mit: „Meine Eltern kamen vor 20 Jahren aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland. Daher konnte ich auch meine persönlichen Erlebnisse in die Diskussion einbringen.“
Von der Idee zum Geschäftsmodell
Der Leitgedanke der alljährlichen Workshops: Junge Gestalter zu befähigen, aus kreativen Ideen funktionierende Social-Start-ups zu schaffen. Das können Unternehmen, Initiativen oder digitale Plattformen sein. Zunächst heißt es, frei und offen zu denken: Vor welchen sozialen Herausforderungen stehen wir? Was sind konkrete Lösungsansätze? Welche neuen Chancen lassen sich entwickeln? Im Brainstorming und über Kreativtechniken kristallisieren sich Schritt für Schritt gangbare Geschäftsmodelle heraus, die dann flugfähig gemacht werden. Gecoacht und gespiegelt von der Haniel Stiftung und ausgesuchten Netzwerkpartnern entwickeln die Teilnehmer innerhalb eines methodischen Prozesses z.B. exemplarische Businesspläne, Finanzierungsmodelle, Markt- und Wettbewerbsanalysen oder Marketingmaßnahmen. Kurzum: Die Ideen sollen der Realität standhalten können – jenseits gut gemeinter Träume. Die Lerneffekte daraus kann man wieder- um in seinem Studium oder für seine Sozialorganisation übernehmen, um sie nach vorne zu bringen. Viel Input also für eine Woche.
Bildungschancen für Migranten stärken
Im Mittelpunkt des Berchtesgadener Workshops: Die Gründung von Sozialunternehmen zu simulieren, die Bildungschancen für Migranten stärken. Als Vorbild diente apeiros. Das Unternehmen aus Wuppertal gibt Schulverweigerern Orientierung und bietet verschiedene Lösungen für Eltern und Kinder sowie Schulen und Jugendämter an. Einen Einblick in die Arbeit des Unternehmens lieferte bei dem Seminar Geschäftsführer Stefan Schwall. Am nächsten Morgen folgte ein Impulsvortrag von Dr. Maximilian Schellmann von der Copenhagen Business School zu Migration und Flucht. Weitere Referenten waren Dr. Rupert Antes, Geschäftsführer der Haniel Stiftung, und Dr. Florian Schulz, der an der Universität St.Gallen u.a. zu Gruppenprozessen in neuen Formen der Arbeit forscht. Neben diesen Coachings bekamen die Teilnehmer Literatur zu Migration und Gründungsprozessen sowie ein Computerprogramm für Unternehmensgründer an die Hand. „Das Programm hat uns geholfen, ganz konkrete Fragen zu berücksichtigen, die wir gar nicht bedacht hatten: Was grenzt uns von anderen Unternehmen ab? Was ist unser Markt? Oder welchen Nutzen haben die Kunden?“, erzählt Ksenia Eroshina.
Gruppen, Pitches, Feedbacks
Unterstützt durch die Seminarleiter erarbeiteten die Teilnehmer mittels Brainstorming, Pitches und Feedbacks erfolgsversprechende neue Geschäftsmodelle. „Unsere Gruppe stellte sich die Frage, warum ausländische Studierende häufiger das Studium abbrechen als deutsche. Wir fanden heraus, dass der Grund sprachliche und kulturelle Barrieren sind. Hier kann das gemeinsam entwickelte Begleitprogramm für ausländische Studierende helfen, das wir exemplarisch für die Universität Duisburg durchspielten“, sagt Ksenia Eroshina. Das ist nur eines von drei neuen Konzepten, die die Gruppen über die Schritte „Themenfindung“, „Geschäftsmodell“ und „strategische Zukunftsplanung“ immer weiter zuspitzten. Dabei berücksichtigen sie auch juristische Voraussetzungen, Finanzierung und mögliche strategische Partner. Selbst bei einer gemeinsamen Wanderung durch das sonnige Hochtal stellten sich die Teilnehmer gegenseitig ihre Konzepte vor und arbeiteten Verbesserungsvorschläge für die Abschlusspräsentation ein.
Handlungsbedarf in der Gesellschaft
Wie bei einem Pitch vor möglichen Investoren ging es bei der Präsentation am letzten Tag darum, die Ergebnisse, darunter auch trockene Zahlenreihen und Tabellen, in eine Geschichte zu verpacken, die auch emotional überzeugt. Dazu nutzten die Gruppen Präsentationen und Rollenspiele, die zum Beispiel erlebbar machten, welchen Problemen Ausländer an deutschen Universitäten begegnen. „Bei dem Seminar habe ich nicht nur viel über unser eigenes Unternehmen gelernt“, resümiert Ksenia Eroshina. „Auch bei Neugründungen muss man nicht das Rad neu erfinden, sondern sich fragen: Wo besteht Handlungsbedarf in der Gesellschaft? Was sind reale Probleme? Oder wo gibt es zwischen gut funktionierenden Unternehmen eine Lücke. So kann jeder Antworten auf bestimmte soziale Herausforderungen geben – und daraus einen Mehrwert für die Gesellschaft entwickeln.“